Umgang mit Auffälligkeiten

Unternehmen können verschiedene Präventionsmassnahmen gegen Suchtverhalten einführen, z. B. Präventionsprogramme, Konzept zu Früherkennung oder Schulungen für Führungskräfte. Trotz dieser Massnahmen kann es jedoch vorkommen, dass Situationen im Zusammenhang mit Substanzkonsum auftreten. Deshalb ist es wichtig, dass verantwortliche Personen wissen, wie sie richtig reagieren.

Verhaltensänderungen im Umfeld

Das Umfeld einer abhängigen Person passt oft sein eigenes Verhalten an. Dies betrifft vor allem den Freundes- oder Familienkreis und allgemein nahe Bezugspersonen. Aber auch Mitarbeitende können davon betroffen sein. 

Oft ist am Arbeitsplatz das Problem allen bekannt – aber niemand spricht es an! Das Thema ist tabu, und die Hemmschwelle, darüber zu reden, ist hoch. Die Angst, die betroffene Person – manchmal ein langjähriger Kollege oder Kollegin – zu verletzen, spielt ebenfalls eine Rolle. 

Bei einem problematischen Konsum oder einer Abhängigkeit entwickeln Mitarbeitende und manchmal auch Führungskräfte, die nicht wissen, wie sie die Situation ansprechen sollen, sogenannte adaptive Verhaltensweisen. 

Verheimlichen und Beschützen

Aus Hilfsbereitschaft korrigieren Mitarbeitende manchmal zunächst Fehler, holen Rückstände auf oder verschweigen die Situation gegenüber der Führung. Dies ist eine Form des Schutzes. Die Mitarbeitenden handeln dabei in der Annahme, der betroffenen Person zu helfen, da diese bereits genug Probleme habe. Das Ansprechen der Situation bei der direkten Vorgesetzten oder dem Vorgesetzten kann hingegen als Denunziation wahrgenommen werden, verbunden mit der Befürchtung von Sanktionen bis hin zur Kündigung. 

Diese Überfürsorge führt dazu, dass ein Teil des beruflichen Umfelds die Situation der betroffenen Person anpasst. Dabei werden beispielsweise Änderungen toleriert, die bei einem anderen Kollegen oder einer anderen Kollegin ohne solche Schwierigkeiten nicht akzeptiert würden. Trotz der Absicht zu helfen, ermöglicht das Schweigen, dass die Probleme bestehen bleiben. Wenn keine Massnahmen ergriffen werden, vermittelt dies der betroffenen Person unbewusst die Botschaft, dass sie ihr Konsum-Verhalten fortsetzen kann, ohne dass das Unternehmen reagiert. 

«Gesetz des Schweigens»

Oft vergehen Jahre, bis für das berufliche Umfeld die Grenze der Zumutbarkeit erreicht ist. Ist es einmal so weit, wird den Beteiligten bewusst, dass sie ihrer Verantwortung nicht nachgekommen sind und daher eine Mitschuld an der Situation tragen. Es herrscht das „Gesetz des Schweigens“, das, wenn es sich erst einmal etabliert hat, schwierig zu durchbrechen ist. Aus Angst, zur Verantwortung gezogen zu werden, wagt niemand, darüber zu sprechen. Die Mitarbeitenden erwarten von den direkten Vorgesetzten, dass sie die Sache in die Hand nehmen und das Problem lösen. 

 

Herausforderungen für Führungskräfte 

Für Führungskräfte kann es herausfordernd sein, eine Situation mit suchtbezogenem Verhalten anzusprechen. Dabei sind sie nicht selten selbst direkt in die Situation involviert. Bei internen Beförderungen beispielsweise kennt man die Kolleg:innen oft schon lange, was die Handlungsoptionen zusätzlich erschwert. Viele Führungskräfte wissen daher nicht genau, wie sie vorgehen sollen, und entscheiden sich manchmal dafür, zunächst abzuwarten, um mögliche Ablehnung oder Spannungen im Team zu vermeiden.
Gerade bei Führungskräften mit einem eher traditionellen Führungsstil können die beschriebenen Anpassungsverhalten auftreten. In leicht paternalistischer Weise übernehmen sie dann oft persönlich Verantwortung für den Prozess und verschweigen die Situation gegenüber der eigenen Hierarchie.